Was ist Systemdenken? Was ist sein Zweck? Was ist ein System? Wie erkennen wir es? Aber auch, wie kommen wir in ein System und wie wirken wir darauf ein? Darum ging es beim ersten Online-Gipfel von bridge-it! für Jugendliche in und um Süd-Nord-Projekte. Nach einem tollen „Online-Energizer“ (ja, das geht auch Online und ist super witzig! Danke an Monty) sind hier einige der Fragen, über die eine Gruppe Jugendlicher aus ganz Deutschland eingeladen war, mit Jannis Deutschmann von Openstate theoretisch und spielerisch nachzudenken.
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“
Es gibt mechanische, natürliche und soziale Systeme: Wir Menschen sind Teil von sozialen (Mensch-Mensch) und natürlichen (Teil der ökologischen Systemwelt) Systemen, ob wir es wissen oder nicht. Dank interaktiver Spiele konnten die Teilnehmer*innen konkret spüren, was ein System von einer Menge unterscheidet: Herausragendes Merkmal von sozialen und natürlichen Systems sind die Interaktionen zwischen den Systemelementen, die untrennbar miteinander und mit dem Ganzen verbunden sind, wohingegen eine Menge nur die Summe der Elemente ist, die nicht in einer Beziehung miteinander stehen.
Nachdem dieser Rahmen festgelegt worden war, wurden die Teilnehmer*innen mit praktischen Werkzeugen ausgestattet, die ihnen auf individueller Ebene helfen sollten, sich selbst besser zu identifizieren und ihre Handlungen innerhalb eines sozialen Systems einzuordnen.
Konstruktivistische Brille (heißt: Wirklichkeit als solche gibt es nicht, sondern sie wird von den Menschen „konstruiert“, weil jeder durch seine „persönliche Brille“ nach außen schaut),
mentale Landkarte (bedeutet eine Art virtuelle Festplatte, auf der wir im Laufe unseres Lebens alle unsere Erfahrungen, Erlebnisse, Lernvorgänge speichern. aus denen sich dann unsere Überzeugungen, Glaubenssätze und Handlungsmuster speisen),
Perspektiv-Kaleidoskop (heißt: unser Blickpunkt auf die Welt ist stets geprägt von „Daten“ unserer virtuellen Festplatte; er ist somit nie neutral oder gar objektiv).
Um in einem System handeln zu können, muss man es zunächst genau beobachten, um die Wirkabläufe darin zu erfassen.
„Was wir sehen, ist eine Perspektive, nicht die „Wahrheit‘“
Wo stehe ich? Was sehe ich von dieser Stelle aus? Wie sehe ich von dort aus zum Beispiel die Nord-Süd-Beziehungen? Durch gemeinsamen Einsatz und Tandemübungen arbeiteten die Teilnehmenden daran, Zugang zu ihrer eigenen mentalen Landkarte zu erhalten und herauszuarbeiten, was sie strukturiert und beeinflusst. Diese herausfordernde und fruchtbare Übung ermöglichte zum Beispiel die Erkenntnis, dass das Hinterfragen der eigenen Muster und die Irritationen, die daraus resultieren können, eine grundlegende Voraussetzung für jede Veränderungsstrategie ist.
„Seeing the big picture“
Aufgrund dieser verschiedenen Übungen und Inputs konnten die Teilnehmer*innen eines mit Sicherheit feststellen: In sozialen Systemen zu handeln, bedeutet zunächst einmal, sich selbst immer wieder als Lerner zu begreifen. Wie ist es, du zu sein? Was sehe ich, wenn wir unsere mentalen Landkarten (Achtung: sind nicht identisch mit der Landschaft!) im Rahmen von Kommunikation austauschen? Bewusstsein über uns selbst und die Welt zu gewinnen, um darin z.B. als eigenständiges und emanzipiertes Individuum etwa im Sinne von Gemeinschaft, Solidarität und Achtsamkeit handeln zu können, heißt: seine eigenen Denk- und Handlungsmuster zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern, um zum Kontext zu passen. Dies kann uns wahrnehmungsfähiger machen für das Erkennen der Grundbedürfnisse anderer Menschen und das Eingebettetsein in das größere Ganze ökologischer Lebenszusammenhänge.
Und zum Abschluß unsere Literatur-Tipps:
- Egner, H., Ratter, B. & Dikau, R.; (Hrsg., 2008): Umwelt als System – System als Umwelt. – oekom-Verlag, München
- Senge, Peter M. (2008): Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation, Stuttgart (ist eigentlich DAS Standardwerk)
- Lindemann, Holger: Konstruktivismus, Systemtheorie und praktisches Handeln, 2019
- König, Eckard und Volmer-König, Gerda (2020): Einführung in das systemische Denken und Handeln. Beltz-Verlag